
Wege aus der Blasenschwäche
In Deutschland leidet jede/r Sechste über 40 Jahren an einer überaktiven Blase, auch Reizblase genannt. Oft ist die Ursache für die Überaktivität des Blasenmuskels und die damit verbundene Blasenschwäche gar nicht bekannt. Als Folge verspüren die Betroffenen einen zwingenden Harndrang, obwohl die Blase nicht vollständig gefüllt ist. Etwa ein Drittel der Patienten wird im Verlauf der Erkrankung inkontinent, kann also den Harn nicht immer halten.
Leider ist unwillkürlicher Harnverlust auch heute noch immer ein Tabuthema: Viele Betroffene gehen aus Scham nicht zum Arzt, obwohl dieses Symptom in jedem Falle abgeklärt und behandelt werden sollte. Als ehemaliger Kontinenzzentrumsleiter der urologischen Klinik im Evangelischen Krankenhaus Bielefeld, befasse ich mich unter anderem schwerpunktmäßig mit Diagnostik und Therapie der Harninkontinenz und sonstigen Blasenfunktionsstörungen. Ziel ist vor allem der Erhalt der Funktion von Blase und des Schließmuskels.
Für einen großen Teil der Betroffenen stehen gut wirksame Medikamente zur Verfügung, so dass Operationen bei einem großen Teil der Fälle vermieden werden können bzw. erst zu einem späteren Zeitpunkt erforderlich werden. Falls Medikamente nicht helfen oder zu starken Nebenwirkungen entwickeln, empfiehlt sich eine hochwirksame Alternative: Eine einzige Injektion von Botulinumtoxin-A – den meisten unter dem Markennamen „Botox®“ bekannt – in den Blasenmuskel blockiert dessen Überaktivität. Dieser positive Effekt hält 6 bis 18 Monate an. Sodann kann der etwa fünf Minuten dauernde, meist in Kurznarkose oder ambulant durchzuführende Eingriff wiederholt werden. Dabei muss kein Patient Angst vor dem auch als „Gift“ bekannten Wirkstoff haben, denn die notwendige Dosis ist absolut harmlos: Erst bei ca. dem 10- bis 30-fachen der verabreichten Menge wäre mit Nebenwirkungen oder gar „Vergiftungserscheinungen“ zu rechnen.
Im Falle eines Urinverlustes beim Husten, Nießen oder auch beim Lachen und Treppensteigen kann nach genauer Diagnostik ein Band unter die Harnröhre gelegt werden. Dies dauert lediglich 10 Minuten in kurzer Narkose ambulant. Damit kann in über 90% der Fälle der Urinverlust behoben werden.